Liebe Schulfamilie,
in der Woche bevor die Ausgangssperre das Verlassen des Hauses ohne triftigen Grund verbot, schrieben die Schüler der Klassen 7b und 7d eine Schilderung mit dem Thema „Frühlingerwachen“. Sie sollten darin ihre vielfältigen Sinneseindrücke am ersten schöne Frühlingstag des Jahres wiedergeben. Aus mehreren Schüleraufsätzen ist eine Art „Musteraufsatz“ entstanden, der noch am Tag seines Erstehens (20.03.2020) eine erstaunliche Aktualität gewonnen hat: Wir ahnten es, konnten es uns aber nicht vorstellen, was es bedeutet, dass es eine Ausgangssperre geben wird!
Liebe Grüße
Irene Rupprecht
Frühlingserwachen 2020
Heute ist der erste warme Frühlingstag im Jahr, das merkt man schon früh am Morgen, denn das Gezwitscher der Vögel hat mich aufgeweckt. Daher mache ich mich auf den Weg zum Sportplatz, um das schöne Wetter auszunutzen und vielleicht Gleichgesinnte zu treffen.
Die Winterjacke braucht man an diesem Tag nicht, ich ziehe mir ein luftiges Jäckchen an. Der Bach, dem ich folge, fließt ruhig gurgelnd dahin. Man hört nur ein leises gleichmäßiges Plätschern. Die Sonne gleitet sanft über meine Haut, da wird mir gleich so warm, dass ich mein Jäckchen um meine Hüfte binde. Puh, mir ist jetzt schon ziemlich heiß! Ich erreiche den frisch geteerten Radweg, alles ist sehr genau und eben gemacht, so dass man problemlos vorankommt. Da begegnet mir auch schon der erste fröhlich klingelnde Radfahrer. Das satte Grün des Grases erinnert mich an das Hellgrün aus dem Farbkasten. Der Duft des feuchten in der Sonne dampfenden Bodens weckt meine Vorfreude auf den Sommer. So riecht der Frühling! Meine Lunge saugt die warme Luft gierig ein. Nun biege ich nach links ab und laufe ein Stück im Schatten, da wird mir gleich ein bisschen kühler und ich ziehe mein Jäckchen wieder drüber. Der Weg geht geradeaus weiter, ich folge ihm. Nach einer Weile wird aus dem geteerten Weg ein holpriger Feldweg. Den Übergang spürt man unter den Füßen, denn es liegen viele weiße, gelbe, gräuliche Steine herum. Dort, wo die Sonne kaum hinkommt, sind noch kleine Pfützen, über die ich hüpfe. An den Seiten des Weges stehen ein paar vereinzelte Bäume, noch ganz ohne Blätter. Die ersten Gänseblümchen und andere gelbe sternförmige Blumen stechen aus dem Grün der Wiese heraus. Ich spaziere auf eine hölzerne Brücke, die über den Fluss führt. Beim Auftreten knarrt sie ein bisschen und ich muss achtgeben, dass ich auf dem feuchten Holz nicht ausrutsche. Jetzt komme ich auf einen noch leicht feuchten Grasweg. Dort ist der menschenleere Sportplatz. Doch was ist das für ein Schild? Ich trete näher, um es entziffern zu können:
„Wegen des neuartigen Corona-Virus sind alle Sport- und Spielplätze in der Gemeinde gesperrt.
Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich verfolgt!“
Vielleicht hätte ich besser doch zuhause bleiben und auf meine Mutter hören sollen! Schnell und voller Sorgen kehre ich um und mache mich auf den Heimweg. Die Landschaft zieht nun viel rascher an mir vorüber: Neben mir erstreckt sich eine große Wiese und ein noch kahler Acker mit frisch gepflügter Erde. Ein Traktor fährt mit lautem Gebrumme die Straße entlang zu seinem Feld. Auf manchen Bäumen sieht man schon die ersten Knospen und auch schon welche, die aufgegangen sind. Dort summen ein paar Bienen umher, um Nektar einzusammeln. Auf der Wiese spielt ein Mädchen mit einem hellbraun gefleckten Hund. Die darf schließlich auch mit dem Hund ins Freie! Ob man uns das bald verbieten wird? Mein Weg wandelt sich zu einem normalen, geteerten Fahrradweg. Ich genieße noch mal die letzten Minuten meines Spaziergangs. Langsam komme ich wieder zu Hause an, ich laufe durch unseren Garten. Meine Katzen freuen sich schon, dass ich wieder bei ihnen bin. Die balgen sich sorglos, denn sie ahnen nichts von dem unsichtbaren Virus!
Welch ein wundervoller Spaziergang! Nun ist es endlich Frühling, doch heuer weiß man nicht wirklich, ob man sich darüber freuen kann. Gut, dass ich so viele Eindrücke gesammelt habe!