Damit uns nicht die Puste ausgeht – Schulentwicklung an der Wallburg-Realschule

Was ist Schulentwicklung?

Seit einem guten Jahr gibt es sie jetzt, die Schulentwicklungsgruppe – doch was ist das überhaupt? „Schulentwicklung“ klingt zunächst nach Entwicklungshilfe für eine pädagogische Ödnis, über der in der Mittagshitze Geier kreisen und wo man schon mal über das eine oder andere Skelett eines tapferen Abenteurers (sprich: Kollegen) stolpern kann.

Auch wenn dem natürlich nicht so ist; der Begriff weckt bisweilen Misstrauen, daher sei folgende Erläuterung vorangestellt:

Unter Schulentwicklung verstehen wir die systematische Veränderung der organisatorischen Rahmenbedingungen, des Unterrichts oder der personellen Situation in dem Bemühen, dass unsere Schule ihre Schüler besser auf ihr Erwachsenendasein vorbereitet. Wichtig ist uns auch, dass wir Lehrkräfte in einer Zeit, in der uns von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr Verantwortung und Erziehungsarbeit einerseits, aber Bürokratie andererseits abverlangt wird, eine Entlastung erfahren – allerdings heißt dies nicht, dass jeder stets alle Maßnahmen als Entlastung begreift und dass diese mit sofortiger Wirkung eintritt.

Unsere Schulentwicklungsgruppe ist ein Vorschlagsgremium, das neue Ideen im Rahmen einer Lehrerkonferenz vorstellt; Vorschläge, die die Zustimmung des Kollegiums erhalten, werden dann in einer Testphase erprobt, bevor eine Mehrheitsabstimmung über die Fortführung der Maßnahme entscheidet.

Wozu Schulentwicklung?

Der wohl triftigste Grund, weswegen Schulen in einem manchmal schmerzhaften Prozess Veränderungswillen zeigen sollten, ist, dass sich unsere „Kunden“ in den letzten Jahrzehnten verändert haben: Da die Eltern oft beide arbeiten müssen, können in vielen Familien die Kinder nicht ohne Weiteres tagsüber von einem Familienmitglied betreut werden. Schüler sind heute rund um die Uhr von Medien umgeben; das aktuelle Smartphone wird – hoffentlich nur außerhalb des Unterrichts 😉 – auch dazu genutzt, Unbekanntes zu „googlen“, da heute kein Mensch mehr alles wissen kann. Der alte Goethe gilt als das letzte Universalgenie – selbst er wäre wohl in Anbetracht der Wissensexplosion heute ziemlich ratlos. Hinzu kommt, dass sich durch den immensen Wissenszuwachs auch die Arbeitswelt gewandelt hat. „Lebenslanges Lernen“ wird von der Wirtschaft heute erwartet, um den stetigen Veränderungen im Beruf gerecht werden zu können.

Für Lehrkräfte ist es Teil des Berufsethos, ihren Schülern ein Vorbild zu sein. Auch deshalb müssen wir uns wie unsere Schüler dem lebenslangen Lernen stellen. Genauso wie ein Arzt nicht erwarten kann (oder sollte!), 30 Jahre nach Dienstantritt noch seine Patienten auf dieselbe Art und Weise zu behandeln, gilt dies auch für die Schule.

Das heißt nicht, dass das Rad komplett neu erfunden werden sollte. Auch in der Pädagogik gibt es Moden, und Schulentwicklung sollte nicht zu Aktionismus verkommen. Es heißt auch ganz und gar nicht, dass an unserer Schule vor Entstehung der Schulentwicklungsgruppe Stillstand herrschte. Gerade im sozialen und kulturellen Bereich sind wir seit Jahren außergewöhnlich engagiert – eine Leistung, auf die wir wirklich stolz sein können. Schulentwicklung heißt aber, Bestrebungen zu bündeln, zu organisieren und systematisch an Veränderung heranzugehen. Schulentwicklung bedeutet auch, immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren, was uns die Freude am Beruf bewahrt.

Dadurch erhält im Idealfall eine Schule ein ganz eigenes Profil, welches die Identifikation der Schüler und Lehrer mit ihr stärkt und sie von anderen Schulen abgrenzt. Schulentwicklung bedeutet außerdem, Absprachen zu treffen – ein Aspekt, der nicht nur für die Schüler wichtig ist, die sich immer Gerechtigkeit und Gleichbehandlung wünschen. Übereinkünfte sind auch für die Lehrergesundheit wichtig, wird doch empfundenes „Einzelkämpfertum“ als ein häufiger Burnout-Faktor angesehen.

Schulentwicklung ist nicht einfach. Sie spielt sich im konfliktreichen Spannungsfeld unterschiedlichster Interessen ab und es gilt, den Spagat zwischen teils gegensätzlichen Positionen zu schaffen und auszuhalten. Warum wir sie uns trotzdem antun, ist hoffentlich durch unsere obigen Ausführungen deutlich geworden.

Für das nächste Jahr halten wir uns Hartmut von Hentigs Zitat vor Augen und hoffen dabei auf viel Bauch- und möglichst wenig Schnappatmung: 😉

„Schulentwicklung braucht große Gedanken, kleine Schritte und einen langen Atem.“

Was haben wir im letzten Jahr erreicht?

  • wöchentliche Kurzkonferenz in der Pause zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen Kollegium und Schulleitung
  • Einführung von AOL (Arbeiten ohne Lehrer) für die 10. Klassen zur Förderung des eigenverantwortlichen Arbeitens
  • Einführung einer Auszeit-Regelung (= Schüler können bei unangemessenem Verhalten des Unterrichts verwiesen werden) zur Aufrechterhaltung des Rechts auf störungsfreien Unterricht für den Rest der Klasse
  • Einführung von Schulversammlungen in der Aula zur raschen Information aller Schüler über bedeutsame Ereignisse (d. h. Auszeichnung für besondere Leistungen, Vorstellen der Schulpatenschaften usw.)
  • Einführung von stellvertretenden Klassleitern zur Unterstützung des einzelnen Klassleiters im Falle seiner Abwesenheit aufgrund von Erkrankungen, Fortbildungen o. Ä.
  • Einführung einer Klassleiterstunde (= jeder Klassleiter gewinnt durch Kürzung aller Stunden um je 5 min. donnerstags 30 min. mit seiner Klasse) zur Förderung der Klassengemeinschaft und zur Erledigung organisatorischer Dienstpflichten
  • Bündelung von Fahrten und anderen Aktivitäten im Rahmen des Schullebens zum Zweck einer besseren Planbarkeit von Leistungsnachweisen, Gewinn von mehr Ruhe während des Schuljahrs
  • Zusammenfassung und Verschriftlichung unseres Schulprofils (= der Aspekte pädagogischer Arbeit, die besonders sind für unsere Schule; siehe Homepage) zur besseren Koordination von Aktivitäten und zum Aufbau einer zielgerichteten Außenwirkung unserer Schule
  • Durchführung eines Schulslogan-Wettbewerbs zum Finden eines Mottos, das die Inhalte unseres Schulprofils auf den Punkt bringt
  • Vorbereitung eines Schulleitbilds (= die Werte, die uns in unserer Arbeit besonders wichtig sind)
  • Vorbereitung und Erarbeitung von Zielvereinbarungen im Anschluss an die externe Evaluation mit dem Kollegium

Was ist für das nächste Schuljahr geplant?

  • Weiterarbeit am Schulleitbild
  • Einführung eines Methodentrainings für die 5. Klassen zur Förderung des eigenständigen Lernens
  • Planung eines Knigge-Trainings und ggf. eines Motivations-Trainings zur Förderung von Schlüsselkompetenzen wie Höflichkeit und Verantwortungsbereitschaft
  • Aufbau organisatorischer Grundlagen für die Schaffung einer Stelle im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts an unserer Schule zum Zweck der Entlastung der Lehrkräfte

Autoren: Susanne Müller und Kirsten Christiansen