Warum Zivilcourage so wichtig ist
Die mit dem Zivilcourage-Preis ausgezeichnete Corinna Hartwich-Beck spricht über ihr Projekt und die Arbeit mit den Jugendlichen
„Zivilcourage – vernetzt! Das ist nicht ein Projekt, sondern steht für eine Vielfalt an nahezu alljährlich stattfindenden Aktionen an der Wallburg-Realschule Eltmann. Corinna Hartwich-Beck unterrichtet dort die Fächer Deutsch und Evangelische Religionslehre. Außerdem übt sie seit vielen Jahren auch die Funktion der Verbindungslehrerin und der Leiterin des Sozialen Arbeitskreises aus. Mit diesem Engagement erreichte jetzt die Lehrerin den dritten Platz beim „Zivilcourage-Preis 2020“ der sechs Münchner „Inner Wheel Clubs“. Bei einer „Live-Schaltung“ nach München nahm sie die Auszeichnung entgegen. Wir fragten die Lehrerin, wieso ihr das Thema „Zivilcourage“ so wichtig ist und was den Erfolg dieser besonderen Preisverleihung bewirkt hat.
Frage: Sie haben im Gegensatz zu anderen Gruppen für den Wettbewerb nicht ein Projekt in den Vordergrund gerückt, sondern ein ganzes Netz von Aktivitäten an Ihrer Schule. Gibt es dafür auch ein Leitziel für Sie?
Corinna Hartwich-Beck: Gewisse Dinge wie Werte lassen sich nur durch wiederholte Auseinandersetzung mit diesen und dauerhaftes Vorleben manifestieren. Ich möchte die Jugendlichen fit für ihr späteres Leben machen gemäß dem Motto „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“. Unsere Gesellschaft braucht weltoffene, hilfsbereite und engagierte junge Leute. In der Schule haben wir die Gelegenheit, die Heranwachsenden mit sozialem Engagement zu konfrontieren und sie anschließend selbstgestaltend tätig werden zu lassen.
Was heißt für Sie persönlich „Zivilcourage“?
Zivilcourage heißt für mich, Mut und Bereitschaft zu haben, sich für andere, aber auch gegen Ungerechtigkeit und Mobbing einzusetzen. Dies ist nicht nur gesellschaftlich wichtig, sondern auch für die eigene Persönlichkeitsbildung. Deswegen lebe ich diese Beherztheit unseren Schülern an der Wallburg-Realschule vor, indem ich ihnen Begegnungen und Situationen ermögliche, wo sie unmittelbar mit grundlegenden Werten wie Hilfsbereitschaft, Toleranz oder Gerechtigkeit, Respekt und Empathie in Berührung kommen, entsprechend dem Leitspruch der Musketiere „Einer für alle – alle für einen!“.
Worum geht es in Ihrem Projekt?
Die von mir betreuten Schülergruppen wie Schülermitverwaltung, der Soziale Arbeitskreis, das Courage- oder das Werte-Team kooperieren mit anderen Einrichtungen wie der Tafel, den Werkstätten der Lebenshilfe oder auch einer örtlichen Tagespflegeeinrichtung. Wir bieten auch peer to peer Workshops, um sich mit Rassismus, Homophobie, Cybermobbing und vielem anderen mehr auseinanderzusetzen und als Schulfamilie gemeinsame Werte zu leben.
Sicher ist es nicht einfach, die Schüler mit dem Thema „Umgang mit Vorbehalten“ zu konfrontieren und dabei vertrauensvoll über Tabuthemen zu sprechen. Wie gelingt Ihnen dies?
Zusätzlich zu unseren innerschulischen Projekten und Workshops organisiere ich in Absprache mit unseren Courage-Coachs auch externe Referenten, z. B. die Kolping-Roadshow aus Köln, die Spiel- und Mitmachaktionen sowie Methoden zur Aneignung von Hintergrundwissen über Flucht, Migration und Integration anbietet. Wir hatten auch schon die schwullesbische Jugendgruppe DéjàWü aus Würzburg zum Thema „Homosexualität“ zu Gast, welches in der Schule oftmals ein Tabuthema darstellt. Schließlich bereicherte „Klick & Kill“ von Bühnengold aus Berlin unseren „Werte-Tag 2019“ und stellte dabei Cybermobbing sowie negative Erfahrungen im Umgang mit sozialen Netzwerken in den Mittelpunkt.
Wie man in den Medien immer wieder mitbekommt, interagieren Schülergruppen wie die Schülermitverwaltung oder der Soziale Arbeitskreis mit Einrichtungen vor Ort. Wie muss man sich das vorstellen?
Immer an Weihnachten und zu Ostern organisieren die Schüler dabei Spendenaktionen für die Tafel. In unserer Schulküche führten wir schon Kochprojekte mit der Lebenshilfe durch. Fast monatlich planen wir zudem eine Veranstaltung mit den Senioren von St. Stephanus und dabei gehen sogar die Jungs völlig locker mit älteren Damen spazieren und halten charmant mit ihnen ein Pläuschchen oder es wird bei Kaffee und Kuchen gerätselt und gebastelt.
Was fasziniert oder überrascht Sie bei dieser außergewöhnlichen Arbeit mit den Schülern besonders?
Dass sich Schüler auch außerhalb des Unterrichts sozial engagieren. Da wachsen sogar sonst schüchterne oder introvertierte Schüler über sich hinaus, indem sie souverän Fünftklässler zu Rollenspielen motivieren oder junge Erwachsene der Lebenshilfe in der Schulküche beim Pizzabacken oder Obstsalatzubereitung unterstützen. Es macht mich dann so richtig stolz, zu beobachten, wie sie sich zu ganz tollen, empathischen jungen Erwachsenen entwickeln. Manche ergreifen später sogar einen Beruf im sozialen Bereich.
Wie empfinden Sie persönlich die Auszeichnung mit diesem besonderen Preis?
Ich freue mich natürlich riesig, aber allein kann man solche berührenden und wichtigen Aktionen nicht stemmen. Deswegen auch ein riesengroßes Dankeschön allen Schülern, die sich leidenschaftlich und mit großer Ausdauer in den verschiedenen Gruppen auf vielfältige Art und Weise einbringen. Mein Dank gilt ebenso unserer Schulleiterin Manuela Küfner für ihre Offenheit gegenüber solchen Projektideen. Großartig haben mich dabei auch meine Kolleginnen Maria Brasch (SMV und Courage-Team), Kirsten Christiansen (Produktion des Videos) und mein Kollege Werner Steger (Sozialere Arbeitskreis) unterstützt.
Das Gespräch führte Günther Geiling.