Was haben Atlanten mit Schule zu tun?

Klar, man nutzt sie im Erdkunde-Unterricht, doch die kartografische Arbeit mit Hilfe von Landkarten-Sammlungen ist hier nicht gemeint. Vielmehr geht es um ein anderes Phänomen, das schon seit Jahren die Kollegien bewegt: Manch eine Lehrkraft kommt sich vor wie Atlas, der Titan, welcher der griechischen Mythologie entsprungen ist und der das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trägt. Denn in den letzten Jahrzehnten, so scheint es, ist die Masse der Schüler immer „schwieriger“ geworden und die Aufgaben der Lehrkräfte sind, so meint man, proportional dazu angestiegen: Ständig müssen Gespräche mit Schülern geführt, Ordnungsmaßnahmen verteilt, Elternbriefe ausgegeben und wieder eingesammelt, Vertretungsstunden übernommen, Besprechungen besucht, Prüfungen korrigiert, Unterricht vorbereitet und Bildungsziele wie Gesundheits- und Medienerziehung geleistet werden. Und da soll man sich auch noch Schulentwicklung aufhalsen?

Doch genau dies ist das Paradoxon: Wenn man eine Entlastung im Schulalltag wünscht und darunter leidet, dass unser Beruf uns zunehmend Erziehungsarbeit statt Wissensvermittlung abverlangt, dann scheint es sinnvoll, vor allem auch denjenigen Faktor zu verändern, den ich als Lehrer persönlich beeinflussen kann, nämlich den schulischen Rahmen.

Aus diesem Grund hat sich vor nunmehr zwei Jahren ein Grüppchen Lehrkräfte zusammengetan, die alle zwei Monate abendlich in die Schule pirschen, um sich Tag(Abend?)träumen hinzugeben, wie unsere Schule sein könnte, und um den einen oder anderen schließlich auszuprobieren. Auch in diesem Schuljahr waren diese Abende im Besonderen und die Schulentwicklung im Allgemeinen wieder schweißtreibend: Ideen wurden hin und her ge- oder manchmal auch verworfen, unsere Köpfe rauchten, hitzige Debatten flammten auf und die Pro- und Contra-Lager lieferten sich so manchen Schlagabtausch. Und dennoch: „Besser zielgerichtetes Beharren als beharrliche Ziellosigkeit“, sagte Willy Meurer einst Und diesem Motto blieben wir auch in diesem Jahr treu, wovon die vielen Maßnahmen zeugen, die wir im Lauf des Jahres ergriffen haben:

  • Überprüfung der Ziele, die sich die Schulfamilie für dieses Schuljahr vorgenommen hatte:
  • kompetenter Umgang mit (neuen) Medien: z. B. Vortrag zur Mediennutzung Jugendlicher, Vorstellung der Materialplattform MEBIS
  • weitere Öffnung dem schulischen Umfeld gegenüber: z. B. Beteiligung der Mittelschule am Fußballturnier, Verkauf des Kochbuches der Schülerfirma an der Grund- und Mittelschule
  • Förderung des eigenverantwortlichen Arbeitens der Schüler: z. B. Durchführung der Aktion „Lernen lernen“, Expertenvortrag eines Motivationstrainers
  • Entwicklung eines Leitbildes (eine Art Idealvorstellung, die wir uns vor Augen halten können):

Respekt und Toleranz bilden die Grundlage für das Miteinander aller Mitglieder der Schulgemeinschaft und dem schulischen Umfeld gegenüber. Der gegenseitige Respekt zeigt sich im höflichen Umgang mit seinen Mitmenschen. Ziele erreichen wir gemeinsam im Team. Bei allen Entscheidungen ist uns bewusst, dass wir für unser eigenes Handeln selbst verantwortlich sind. Dies gilt insbesondere auch für das Lernen.

  • Information über die vom Kultusministerium geforderte „Eigenverantwortliche Schule“:
  • Information über das zu erstellende Schulprogramm, welches konkrete Maßnahmen zur Erreichung des Leitbildes verankern soll
  • Information über das Konzept zur Erziehungspartnerschaft, das jede Schule bis Ende 2014/2015 vorlegen muss
  • Ideensammlung zu Maßnahmen, die die Sauberkeit auf dem Schulgelände erhöhen sollen:
  • Durchführung einer Umfrage unter den Schülern zum Thema „Sauberkeit“

Für das nächste Schuljahr haben wir geplant:

  • Überprüfung des Standes der Zielvereinbarungen
  • Ausarbeitung eines Schulprogrammentwurfs
  • Ausarbeitung eines möglichen Konzepts zur Erziehungspartnerschaft
  • Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sauberkeit

Wir machen uns also auch weiter dafür stark, Probleme im Team anzugehen. Natürlich kann man dies als Eingriff in die individuellen pädagogischen Freiräume der einzelnen Lehrkraft sehen. Man kann es aber auch als Entlastung verstehen, wenn Neuerungen ausprobiert und Absprachen getroffen werden, an die wir uns alle halten: So könnte es vielleicht auch unser Atlas einmal mit einer anderen Hebetechnik probieren oder er könnte sich seine Last mit einem Mitstreiter teilen. Er wäre sicher froh gewesen, wenn er Unterstützung beim Tragen erhalten hätte, und hätte es eher weniger als Eingriff in seinen Aufgabenbereich angesehen. In diesem Sinne: Packen wir’s an!

Autoren: Susanne Müller, Kirsten Christiansen

Damit uns nicht die Puste ausgeht – Schulentwicklung an der Wallburg-Realschule

Was ist Schulentwicklung?

Seit einem guten Jahr gibt es sie jetzt, die Schulentwicklungsgruppe – doch was ist das überhaupt? „Schulentwicklung“ klingt zunächst nach Entwicklungshilfe für eine pädagogische Ödnis, über der in der Mittagshitze Geier kreisen und wo man schon mal über das eine oder andere Skelett eines tapferen Abenteurers (sprich: Kollegen) stolpern kann.

Auch wenn dem natürlich nicht so ist; der Begriff weckt bisweilen Misstrauen, daher sei folgende Erläuterung vorangestellt:

Unter Schulentwicklung verstehen wir die systematische Veränderung der organisatorischen Rahmenbedingungen, des Unterrichts oder der personellen Situation in dem Bemühen, dass unsere Schule ihre Schüler besser auf ihr Erwachsenendasein vorbereitet. Wichtig ist uns auch, dass wir Lehrkräfte in einer Zeit, in der uns von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr Verantwortung und Erziehungsarbeit einerseits, aber Bürokratie andererseits abverlangt wird, eine Entlastung erfahren – allerdings heißt dies nicht, dass jeder stets alle Maßnahmen als Entlastung begreift und dass diese mit sofortiger Wirkung eintritt.

Unsere Schulentwicklungsgruppe ist ein Vorschlagsgremium, das neue Ideen im Rahmen einer Lehrerkonferenz vorstellt; Vorschläge, die die Zustimmung des Kollegiums erhalten, werden dann in einer Testphase erprobt, bevor eine Mehrheitsabstimmung über die Fortführung der Maßnahme entscheidet.

Wozu Schulentwicklung?

Der wohl triftigste Grund, weswegen Schulen in einem manchmal schmerzhaften Prozess Veränderungswillen zeigen sollten, ist, dass sich unsere „Kunden“ in den letzten Jahrzehnten verändert haben: Da die Eltern oft beide arbeiten müssen, können in vielen Familien die Kinder nicht ohne Weiteres tagsüber von einem Familienmitglied betreut werden. Schüler sind heute rund um die Uhr von Medien umgeben; das aktuelle Smartphone wird – hoffentlich nur außerhalb des Unterrichts 😉 – auch dazu genutzt, Unbekanntes zu „googlen“, da heute kein Mensch mehr alles wissen kann. Der alte Goethe gilt als das letzte Universalgenie – selbst er wäre wohl in Anbetracht der Wissensexplosion heute ziemlich ratlos. Hinzu kommt, dass sich durch den immensen Wissenszuwachs auch die Arbeitswelt gewandelt hat. „Lebenslanges Lernen“ wird von der Wirtschaft heute erwartet, um den stetigen Veränderungen im Beruf gerecht werden zu können.

Für Lehrkräfte ist es Teil des Berufsethos, ihren Schülern ein Vorbild zu sein. Auch deshalb müssen wir uns wie unsere Schüler dem lebenslangen Lernen stellen. Genauso wie ein Arzt nicht erwarten kann (oder sollte!), 30 Jahre nach Dienstantritt noch seine Patienten auf dieselbe Art und Weise zu behandeln, gilt dies auch für die Schule.

Das heißt nicht, dass das Rad komplett neu erfunden werden sollte. Auch in der Pädagogik gibt es Moden, und Schulentwicklung sollte nicht zu Aktionismus verkommen. Es heißt auch ganz und gar nicht, dass an unserer Schule vor Entstehung der Schulentwicklungsgruppe Stillstand herrschte. Gerade im sozialen und kulturellen Bereich sind wir seit Jahren außergewöhnlich engagiert – eine Leistung, auf die wir wirklich stolz sein können. Schulentwicklung heißt aber, Bestrebungen zu bündeln, zu organisieren und systematisch an Veränderung heranzugehen. Schulentwicklung bedeutet auch, immer mal wieder etwas Neues auszuprobieren, was uns die Freude am Beruf bewahrt.

Dadurch erhält im Idealfall eine Schule ein ganz eigenes Profil, welches die Identifikation der Schüler und Lehrer mit ihr stärkt und sie von anderen Schulen abgrenzt. Schulentwicklung bedeutet außerdem, Absprachen zu treffen – ein Aspekt, der nicht nur für die Schüler wichtig ist, die sich immer Gerechtigkeit und Gleichbehandlung wünschen. Übereinkünfte sind auch für die Lehrergesundheit wichtig, wird doch empfundenes „Einzelkämpfertum“ als ein häufiger Burnout-Faktor angesehen.

Schulentwicklung ist nicht einfach. Sie spielt sich im konfliktreichen Spannungsfeld unterschiedlichster Interessen ab und es gilt, den Spagat zwischen teils gegensätzlichen Positionen zu schaffen und auszuhalten. Warum wir sie uns trotzdem antun, ist hoffentlich durch unsere obigen Ausführungen deutlich geworden.

Für das nächste Jahr halten wir uns Hartmut von Hentigs Zitat vor Augen und hoffen dabei auf viel Bauch- und möglichst wenig Schnappatmung: 😉

„Schulentwicklung braucht große Gedanken, kleine Schritte und einen langen Atem.“

Was haben wir im letzten Jahr erreicht?

  • wöchentliche Kurzkonferenz in der Pause zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen Kollegium und Schulleitung
  • Einführung von AOL (Arbeiten ohne Lehrer) für die 10. Klassen zur Förderung des eigenverantwortlichen Arbeitens
  • Einführung einer Auszeit-Regelung (= Schüler können bei unangemessenem Verhalten des Unterrichts verwiesen werden) zur Aufrechterhaltung des Rechts auf störungsfreien Unterricht für den Rest der Klasse
  • Einführung von Schulversammlungen in der Aula zur raschen Information aller Schüler über bedeutsame Ereignisse (d. h. Auszeichnung für besondere Leistungen, Vorstellen der Schulpatenschaften usw.)
  • Einführung von stellvertretenden Klassleitern zur Unterstützung des einzelnen Klassleiters im Falle seiner Abwesenheit aufgrund von Erkrankungen, Fortbildungen o. Ä.
  • Einführung einer Klassleiterstunde (= jeder Klassleiter gewinnt durch Kürzung aller Stunden um je 5 min. donnerstags 30 min. mit seiner Klasse) zur Förderung der Klassengemeinschaft und zur Erledigung organisatorischer Dienstpflichten
  • Bündelung von Fahrten und anderen Aktivitäten im Rahmen des Schullebens zum Zweck einer besseren Planbarkeit von Leistungsnachweisen, Gewinn von mehr Ruhe während des Schuljahrs
  • Zusammenfassung und Verschriftlichung unseres Schulprofils (= der Aspekte pädagogischer Arbeit, die besonders sind für unsere Schule; siehe Homepage) zur besseren Koordination von Aktivitäten und zum Aufbau einer zielgerichteten Außenwirkung unserer Schule
  • Durchführung eines Schulslogan-Wettbewerbs zum Finden eines Mottos, das die Inhalte unseres Schulprofils auf den Punkt bringt
  • Vorbereitung eines Schulleitbilds (= die Werte, die uns in unserer Arbeit besonders wichtig sind)
  • Vorbereitung und Erarbeitung von Zielvereinbarungen im Anschluss an die externe Evaluation mit dem Kollegium

Was ist für das nächste Schuljahr geplant?

  • Weiterarbeit am Schulleitbild
  • Einführung eines Methodentrainings für die 5. Klassen zur Förderung des eigenständigen Lernens
  • Planung eines Knigge-Trainings und ggf. eines Motivations-Trainings zur Förderung von Schlüsselkompetenzen wie Höflichkeit und Verantwortungsbereitschaft
  • Aufbau organisatorischer Grundlagen für die Schaffung einer Stelle im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts an unserer Schule zum Zweck der Entlastung der Lehrkräfte

Autoren: Susanne Müller und Kirsten Christiansen