Was passiert denn mit Verstorbenen, die keine Angehörigen haben?
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde durch die beiden inzwischen routinierten Damen, wo sehr deutlich wurde, wie sie jeweils zu ihrem Beruf gekommen sind – während Tanja Kremer bereits in sehr jungen Jahren mit einer Vielzahl an Schicksalsschlägen in ihrem familiären Umfeld konfrontiert wurde und sich deswegen bewusst dafür entschied, um Angehörigen einen „guten“ Abschied zu ermöglichen, wuchs Petra Schuhmann durch ihre Eltern quasi in dieses Berufsfeld hinein (Auch einer ihrer Neffen ist in diese Fußstapfen bereits getreten, befindet sich gerade in der Ausbildung dazu.) – schlossen sich recht lebhafte Fragerunden von Seiten der Neuntklässler*innen an. Lag bei den Klassen 9c und 9d der Fokus sehr darauf, wie man denn z. B. nach einem schweren Verkehrsunfall oder bei einem Mordopfer mit zu bergenden Leichenteilen oder extremen Verunstaltungen umgehen würde, ob der/die Tote auch dann noch aufgebahrt werden könnte etc., stiegen die Klassen 9a und 9b eher pragmatisch mit Fragen nach der Dauer einer Einäscherung, ob Herzschrittmacher noch vorab entfernt werden müssten oder wie tief gegraben würde, wenn ein Familiengrab neu ausgehoben würde, ein.
Sehr geduldig gingen beide Referentinnen auf jede einzelne Frage ein und gewährten auch zahlreiche persönliche Einblicke in ihren sehr abwechslungsreichen Arbeitsalltag, der von ihnen viel Flexibilität sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Umgang mit den trauernden Angehörigen abverlangt. Frau Schuhmann stellte die Möglichkeit vor, eine Bestattungsverfügung zu erstellen, die man neben einer Patientenverfügung zu Hause hinterlegen könne, sodass die Wünsche der verstorbenen Person bekannt sind und ihnen auch entsprochen werden kann sowie Streitigkeiten von Hinterbliebenen hinsichtlich der Bestattungsform usw. von vornherein vermieden werden können. Dass selbst in unserem ländlichen Raum der Anteil an Feuerbestattungen inzwischen bei knapp 80 % liege, überraschte alle Anwesenden. „Da bei uns Bestattungspflicht auf Friedhöfen, in Friedwäldern, in einem Ruheforst etc. besteht, ist es nicht möglich, die Urne eines verstorbenen Familienangehörigen bei sich zu Hause aufzubewahren“, erklärte Petra Schuhmann und ergänzte sogleich konkrete Situationen, die recht flott alle Zuhörer*innen von der Sinnhaftigkeit dieser Regelung überzeugten. Doch wusste auch Tanja Krämer noch anzumerken, dass ein Bestatter durchaus Angehörigen eine Urne über Nacht zum Abschiednehmen mit nach Hause geben könne. Als sehr belastend beschrieben beide Frauen die Situation, wenn man mit dem plötzlichen Tod von jungen Menschen konfrontiert werde, sei es nun ein Sternenkind oder auch exemplarisch der Unfalltod eines jugendlichen Motorradfahrers, insbesondere wenn man die betroffene Familie persönlich kenne.
Nach dem Thematisieren von so genannten „Grauzonen“ bezüglich der Bestattungsmöglichkeiten und der Herstellung von Erinnerungsstücken (vgl. Kristall aus Asche) und dem Vorführen einer Krematoriums-Kapsel für eine Schmuckurne nebst darin liegendem Schamottstein schloss sich für alle Neuntklässler*innen noch der Gang zum Leichenwagen an. Nach den recht lebhaften Fragerunden erschienen in diesem Schuljahr die Schüler*innen hier doch eher zurückhaltend, teils mit gebotenem Abstand zum Fahrzeug – erst recht, als dann ein Holzsarg aus dem Inneren des Fahrzeugs durch vier Schüler*innen befördert werden musste. Nachdem Frau Kremer und Frau Schuhmann geduldig Details am Sarg inklusive Deckengarnitur erläutert hatten, tauten schließlich doch noch einzelne Jungs auf, die sich das Angebot des „Probeliegens“ im Sarg (War da nicht sogar als Wetteinsatz/Anreiz ein Donut von einem Mitschüler angeboten worden?☺) nicht nehmen ließen, was aber ebenso den völlig unverkrampften Umgang mit dem Prozess des Sterbens, aber auch des Trauerns von Seiten der beiden Referentinnen verdeutlichte. Durchweg schwang an diesem Projekttag neben all den Sachinformationen immer auch der Tenor mit, dass beide Damen ihren „Job“ mit großer Leidenschaft ausüben, sie die Motivation teilen, Angehörige in ihrer Trauer aufzufangen und zu begleiten und eben die eigene Menschenkenntnis zu nutzen, um die Trauernden adäquat zu beraten, wobei sie immer wieder viel Kreativität und Spontanität beweisen.
Abgerundet wurde die jeweils 60-minütige Einheit durch das Inspizieren der vorbereiteten Schautische: Beide Damen stellten Trends für trauernde Angehörige wie Mini-Gedenkurnen oder Fingerabdruckschmuck vor. Auch die Möglichkeit, die genannten Accessoires sowie Urnen aus nächster Nähe zu betrachten und anzufassen, Broschüren über Ruheforst, Seebestattung, zum digitalen Nachlass und Kataloge mit modernen Sargmodellen, z. B. aus Papier, durchzublättern, wurde von vielen Neuntklässler*innen gerne genutzt.
An dieser Stelle ergeht ein Riesen-Dankeschön an Frau Schuhmann und Frau Kremer für deren ungezwungenen, lebhaften Vortrag, ihre Offenheit sowie die zahlreichen Anschauungsmaterialien bzw. –objekte.
Autorin: Corinna Hartwich-Beck