„Wenn ein Trauerfall in Ihrer eigenen Familie ist, übernehmen Sie dann trotzdem selbst die Bestattung und sämtliche anderen Vorbereitungen?“
…, so lautete eine der vielen Fragen, mit denen am 25.10.2021 Frau Schuhmann, Mitinhaberin des Familienunternehmens „Hetterich Bestattungen“, sowie die geprüfte Bestatterin Frau Kremer von unseren Neuntklässlern während des zum sechsten Mal (leider hatten wir im Vorjahr coronabedingt dieses wichtige Event canceln müssen) stattfindenden Projekttags „Tod und Bestattung“ konfrontiert wurden. Einmal mehr verstanden es die beiden Damen, die die obige Frage einstimmig und voller Überzeugung mit einem lauten „Ja, auf jeden Fall!“ beantworteten, dieses gesellschaftliche Tabuthema völlig unverkrampft und sehr anschaulich in jeweils zwei Schulstunden sowohl den anwesenden Lehrkräften als auch den Jugendlichen durch ihre offene, lockere Art näher zu bringen, aber auch ihren beruflichen Alltag erlebbar zu machen.
Während Petra Schuhmann durch den elterlichen Betrieb in Zeil von klein auf gemeinsam mit ihrem Bruder in diese Thematik hineingewachsen ist, entschied sich Tanja Kremer aus einer Vielzahl von persönlichen Schicksalsschlägen in jungen Jahren heraus für das Bestattungswesen. Deswegen stehe für Frau Kremer an oberster Stelle, trauernden Angehörigen einen schönen, individuellen Abschied von der verstorbenen Person zu ermöglichen, beispielsweise in den eigenen vier Wänden. Dazu gehöre für sie selbstverständlich auch der wertschätzende Umgang mit dem Verstorbenen, was sie leider in ihren jungen Jahren bei einem plötzlich verstorbenen nahen Familienmitglied nicht erlebt hätte.
Im Verlauf der zweistündigen Projektsequenzen trauten sich zunehmend Schülerinnen und Schüler – teilweise mittels eines kleinen Fragenkatalogs, der im Vorfeld erarbeitet worden war und in den Hosentaschen griffbereit „schlummerte“ – praktische wie auch sehr persönliche Fragen zu stellen. So erfuhren alle Anwesenden u. a., dass inzwischen in unserer Region der Anteil an Urnenbestattungen bei über 70 Prozent liegt, da viele die Grabpflege bei einer Erdbestattung abschrecke, weswegen auch die Nachfrage nach Urnenwänden oder einer Besetzung in Wäldern (→ Ruheforst, Friedwald) gestiegen sei. Eine Einäscherung dauere zwischen 1 ½ und 2 Stunden im Durchschnitt. Auf die Frage, was sie als sehr belastend in ihrem Beruf empfinde, entgegnete Tanja Kremer ohne Umschweife: „Wenn der/die Verstorbene im Alter meiner Kinder ist, dann lässt mich das auch nach 15 Jahren Berufserfahrung nicht kalt; das geht einem wirklich ans Herz. Auch wenn wir Babys verabschieden oder ein junger Erwachsener verstirbt, der kleine Kinder hinterlässt, macht das einen immer sehr betroffen.“ Doch betonte wiederum Petra Schuhmann, es sei das Schönste an ihrer Tätigkeit, Angehörige in ihrer Trauer aufzufangen und zu begleiten und eben die eigene Menschenkenntnis zu nutzen, um die Trauernden adäquat zu beraten, z. B. für einen sehr naturverbundenen Verstorbenen eine Natururne mit Walddekor zu organisieren. Indem Bestattern in der heutigen Zeit mehr Freiraum zur Verfügung stünde, könne viel mehr auf individuelle Wünsche eingegangen werden, genieße man auch bei den Angehörigen ein viel größeres Vertrauen. Zusätzlich wurden auch Dokumente wie Vorsorgevertrag, Sterbeversicherung oder Bestattungsverfügung thematisiert und die Tendenz herausgestellt, dass immer mehr Leute vorab ihre Beerdigung planten – teils sogar mit der gesamten Familie -, wodurch dann tatsächlich im Todesfall den Hinterbliebenen früher und auch mehr Zeit zur Trauer ermöglicht würde.
Im Anschluss an die durchaus lebhafte Fragerunde stellten Frau Schuhmann und Frau Kremer Trends für trauernde Angehörige wie Mini-Gedenkurnen, Fingerabdruckschmuck oder auch als Neuheit die „Perle mit Seele“ aus einer Haarlocke vor, demonstrierten das Auseinandernehmen von mitgebrachten Urnen. Auch die Möglichkeit, die genannten Accessoires sowie Urnen aus nächster Nähe zu betrachten, Broschüren über Ruheforst, Seebestattung, zum digitalen Nachlass und Kataloge mit modernen Sargmodellen, z. B. aus Papier, durchzublättern, wurde von vielen Neuntklässlern an den Schautischen genutzt.
Abgerundet wurde dieses kurzweilige, äußerst lehrreiche Projekt durch den gemeinsamen Gang zum Leichenwagen, der nebst Inventar inspiziert wurde, wobei die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler eher „respektvoll“ auf Distanz blieb. Frau Kremer und Frau Schuhmann präsentierten und erklärten geduldig Details am Sarg inklusive Deckengarnitur, führten eine Überführungstrage vor und bauten eine Schaufeltrage zusammen. Auch das Angebot des „Probeliegens“ im Sarg wurde in diesem Schuljahr von einzelnen, überwiegend weiblichen Personen (auch eine Lehrkraft zählte dazu) ohne jegliche Berührungsängste wahrgenommen, was aber ebenso den völlig unverkrampften Umgang mit dem Prozess des Sterbens, aber auch des Trauerns von Seiten der beiden Referentinnen verdeutlichte.
An dieser Stelle ergeht ein Riesen-Dankeschön an Frau Schuhmann und Frau Kremer für ihren fesselnden Vortrag, der sich so gut mit dem in derselben Woche stattfindenden Berufswahlseminar verknüpfen ließ und zugleich auf Allerheiligen einstimmte. Die Fachschaften Religion und Ethik wie auch die Schülerinnen und Schüler würden sich sehr freuen, wenn auch in Zukunft dieses Projekt fortgeführt werden könnte bzw. – wie wir in Vor-Corona-Zeiten schon angedacht hatten – zum Projekttag ausgeweitet werden könnte unter Einbindung der Themenkomplexe „Hospizarbeit“, „Palliativpflege“ sowie „Organspende“. Schauen wir also optimistisch gestimmt ins Schuljahr 2022/23!
Autor: Corinna Hartwich-Beck